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Stand: 20.08.2022

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Wissenschaft und Kritik

Hier werden einige kleine Texte zu verschiedenen Themen der Wissenschaften - nicht nur der Physik - vorgestellt. Es sind Gedanken, die vielleicht unter dem Oberbegriff Wissenschaftskritik zusammengefasst werden könnten, aber es geht wenig systematisch zu. Vielleicht enthalten diese Zeilen dennoch einige Anregungen, die über das spezielle Thema Physik hinausgehen.

Karl Popper
1902 - 1994

POPPER

Es gibt keine Autorität der Wissenschaft. Die Wissenschaft ist etwas Wunderbares. Trotzdem wissen wir nichts. Das heißt, in unserer Wissenschaft stecken viele Irrtümer. Das war immer so. Der wissenschaftliche Fortschritt besteht darin, diese Irrtümer zu finden und durch etwas Besseres zu ersetzen: durch eine bessere Hypothese. Er besteht darin, Irrtümer losloszuwerden.

Karl Popper

 

Wissenschaft und Kritik

 

Wissenschaftskritik

30.07.2001

Wer Kritik - als Kritiker oder Kritisierter - ausschließlich destruktiv begreift, begreift manches vielleicht nicht völlig richtig. Kritik ist immer etwas Unangenehmes und Sinnloses. Jedenfalls für denjenigen, der Zielscheibe einer Kritik ist. Und Kritik ist immer ungerecht. So sehen es die Kritisierten. Noch schwieriger wird es, wenn sich eine Kritik nicht gegen Einzelpersonen, sondern gegen Institutionen richtet. In der Politik heißen die kritisierenden Parteien Opposition . Das sind jene Parteien, die gerade mal nicht die Regierungsmacht innehaben (oder noch nie gehabt haben) und dagegen sind - gegen was auch immer. Meist gegen Vorschläge und Entscheidungen der Regierungspartei(en). Wie das "parteipolitische Gezänk" beim Wähler auch ankommen mag, Kritik (oder Opposition) sind schon deshalb notwendig und inhärenter Bestandteil jedweder parlamentarischen Demokratie, weil Machtmissbrauch und Korruption, grundsätzlich nie völlig vermeidbar, andernfalls ganz besonders gut gedeihen würden.

Mit Wissenschaft, so scheint es, hat das recht wenig zu tun. Denn die Wissenschaften, so die allgemein übliche Auffassung, kritisieren und korrigieren sich selbst, sodass eine "Kritik von außen" weder notwendig, sinnvoll noch überhaupt sachlich möglich ist.

Doch kann man dies auch ein wenig anders sehen. Erinnern wir uns doch eines Interviews, welches Karl Popper (1902-1994, siehe Foto) der Zeitung DIE WELT am 29. Januar 1990 gab (1991 veröffentlicht als Taschenbuch bei Ullstein unter dem Titel ”Ich weiß, daß ich nichts weiß - und kaum das”):

    Popper: Wir Intellektuellen haben schauerliche Dinge gemacht, wir sind eine große Gefahr. Wir bilden uns viel ein - wir wissen nicht, wie wenig wir wissen. Und wir Intellektuellen sind nicht nur anmaßend, sondern auch bestechlich.
    WELT: Materiell bestechlich?
    Popper: Ich meine nicht nur mit Geld, sondern auch bestechlich durch Ansehen, Macht, Einfluß und so weiter. Das ist leider so. Man müßte auch hier eine neue Mode schaffen. Ich hoffe, daß es für Intellektuelle einmal modern werden wird, bescheiden zu sein. Das ginge schon. Natürlich bin ich nicht der beste Mann, um eine neue Mode zu kreieren.
    WELT: Welchen "Modetrend" erkennen Sie heute bei den Intellektuellen?
    Popper: Sie machen aus Theorien Ideologien. Selbst in der Physik und in der Biologie gibt es leider viele Ideologien. (...) Überall, auch in diesen Fachbereichen, gibt es einen Dogmatismus, gegen den es schwierig ist, sich durchzusetzen. (...) Die Intellektuellen sind unkritisch und gehen mit den Moden, und es gibt einen starken Druck. Das heißt: Wer nicht mit der Mode geht, der steht bald außerhalb des Kreises derer, die ernst genommen werden.
    WELT : Würden Sie so weit gehen und sagen daß durch diesen Anpassungsdruck die Wissenschaft gefährdet ist?
    Popper: Ich bin ein begeisterter Anhänger der Wissenschaft. Physik und Biologie sind für mich großartige Wissenschaften, und ich halte die meisten Physiker und Biologen für sehr gescheit und gewissenhaft. Aber: Sie stehen unter Druck. Diesen Druck gibt es erst seit dem zweiten Weltkrieg, seitdem so viel Geld für die Wissenschaft ausgegeben wird.

Diese Aussagen sind aktueller denn je. Gerade weil Popper alles andere als ein Wissenschaftsgegner und Technikfeind war, sollte man seine Aussagen durchaus ernst nehmen. Denn er erkannte eine Entwicklung - im und nach dem Zweiten Weltkrieg einsetzend, wie er bemerkte -, die sich letztlich nicht unbedingt als förderlich für den wahren Erkenntnisfortschritt herausstellte.

Wenn es also um Wissenschaftskritik geht, so sind vielleicht bestimmte Gesichtspunkte zu beachten. Hier einige mögliche Schwerpunkte:

  1. Erkenntnistheoretische und methodologische Aspekte,
  2. gesellschaftliche Implikationen im Rahmen von Lehre und Forschung einschließlich deren Finanzierung,
  3. Ziele und "unumstößliche Wahrheiten" der Wissenschaften im Verein mit deren praktischen Auswirkungen, Risiken und den möglichen Missbrauch wissenschaftlicher Erkenntnisse eingeschlossen,
  4. der Autoritätsanspruch der Wissenschaften respektive den der Wissenschaftler.

In diesem Sinne soll diese Kritik auch verstanden werden, wenngleich in dem Bewusstsein vorgetragen, dass damit natürlich kein Einfluss ausgeübt werden kann. Selbst der Einfluss eines Karl Poppers ist recht bescheiden im Hinblick auf die konkreten naturwissenschaftlichen Forschungstätigkeiten. Die Kluft zwischen Geistes- und Naturwissenschaften (ein durchaus interessantes Thema) wurde nicht nur nicht überbrückt, sondern eher noch vertieft. Wie auch immer, vielleicht bieten einige der hier formulierten Gedanken Anlass zum eigenen kritischen Nachdenken (dies war ja einst der Anspruch der Aufklärung) über die (aber nicht nur) aktuellen Forschungsaktivitäten.

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