Physik - was ist das?

© 1998 - 2022 Wolfgang Neundorf
Stand: 20.08.2022

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Genau zu definieren, was Physik denn eigentlich sei, ist überhaupt nicht einfach.
Darum versuche ich es gar nicht erst.

GoetheWas der gute alte Goethe mit Physik zu tun hat? - Nun ja, erstens hielt er sich selbst für einen bedeutenderen Naturforscher denn Dichter (worin er möglicherweise irrte). Zweitens hatte er sich unter anderem auch mit konkreten

Und sie laufen! Nass und nässser
 wird´s im Saal und auf den Stufen:
 Welch entsetzliches Gewässer!
Herr und Meister! hör mich rufen! -
Ach, da kommt der Meister!
Herr, die Not ist groß!
Die ich rief die Geister
werd´ ich nun nicht los

Goethe, aus “Der Zauberlehrling”

naturwissenschaftlichen Fragen befasst. Die Farbenlehre beispielsweise konnte sich zwar nicht so recht durchsetzen, aber uninteressant waren seine Gedanken mit Sicherheit nicht. Und drittens gelangte das Musterbeispiel eines “Deutschen Dichters und Denkers” durchaus zu Einsichten, die alles andere als überholt sind.

Gebraucht der Zeit, sie geht so schnell von hinnen,
doch Ordnung lehrt Euch Zeit gewinnen.
Mein teurer Freund, ich rat’ Euch drum
zuerst Collegium Logicum.
Da wird der Geist Euch wohl dressiert,
in spanische Stiefeln eingeschnürt,
dass er bedächtiger so fortan,
hinschleiche die Gedankenbahn,
und nicht etwa die Kreuz und Quer,
irrlichteliere hin und her.
Dann lehret man Euch manchen Tag,
das, was Ihr sonst auf einen Schlag
getrieben, wie Essen und Trinken frei,
Eins! Zwei! Drei! Dazu nötig sei.
Zwar ist’s mit der Gedankenfabrik
wie mit einem Webermeisterstück,
wo ein Tritt tausend Fäden regt,
 

die Schifflein herüber und hinüber schießen,
die Fäden ungesehen fließen,
ein Schlag tausend Verbindungen schlägt.
Der Philosoph, der tritt herein
und beweist Euch, es müsst’ so sein:
Das Erst’ wär’ so, das Zweite so,
und drum das Dritt’ und Vierte so,
und wenn das Erst’ und Zweit’ nicht wär’,
das Dritt’ und Viert’ wär’ nimmermehr.
Das preisen die Schüler allerorten,
sind aber keine Weber geworden.
Wer will was Lebendigs erkennen und beschreiben,
sucht erst den Geist herauszutreiben,
dann hat er die Teile in seiner Hand,
fehlt leider! nur das geistige Band.

Goethe, aus “Faust I”

Hier ein Szenenausschnitt mit Gustaf Gründgens (Hamburg 1960) als Mephisto.

Einmal als Video ( MPEG1-Datei, ca. 12 MB) und

einmal als Audiodatei im MP3-Format (ca. 1MB).

Im Folgenden versuche ich, mich an die grundlegende Problematik ganz langsam heranzutasten. Die weiteren Textabschnitte werden sich mit der Basis der Physik befassen. Und diese Basis nun einmal bildet die Newtonsche Mechanik mit all ihren explizit formulierten Prämissen sowie ebenso den unausgesprochenen Vorausetzungen. Meiner Meinung nach finden hier die fundamentalen Fehleinschätzungen ihren Ursprung. In den vorangegangenen Texten befasste ich mich mit speziellen Problemen sowie einem meiner Überzeugung nach grundlegenden erkenntnistheoretischen Problem.

 

Physik - was ist das?

Befindet die Physik sich in der Sackgasse?

Eine provokante Frage. Führt der bisherige Weg der Gewinnung von Erkenntnissen nicht zum Ziel des immer besseren Verständnisses der Gesetze der Natur? - Allein solch eine Fragestellung erscheint anmaßend und ungerechtfertigt. Nur, Fragen wohl dürfen erlaubt sein. Genau diese Angelegenheit ist Gegenstand der vorliegenden Arbeit - und die Antworten im Ansatz auch. Um Fragen dabei geht es, die längst indeutige Antworten erfuhren und solche, die bislang niemand stellte.

Nichts Spannenderes gibt es als die Physik. Natürlich räume ich ein, der eine oder andere teilt diese Meinung nicht in vollem Umfang. Sich für Physik interessieren, heißt neugierig sein. Wer schon ist nicht neugierig. Albert Einstein sprach von der „göttlichen“ oder „heiligen“ Neugier. Neugierig sein bedeutet Fragen stellen. Auch ganz dumme. Wer aber urteilt darüber, was dumm ist und was weniger? - Darüber befinden sehr kluge Menschen, die alles ganz genau wissen.
Sagen wir, fast alles und fast ganz genau: über die Natur und deren Gesetze, nach denen alle Vorgänge sich angeblich zu richten haben.

Nicht vordergründig um die Darstellung des aktuellen Erkenntnisstandes der Physik geht es hier (den aufzuzeigen, wäre ohnehin eine recht schwierige, eigentlich kaum lösbare, Aufgabe - von mir schon gar nicht), sondern um das Stellen sehr dummer Fragen. Dinge gibt es, die so selbstverständlich sind, dass es schon einiger Naivität bedarf. diese hinterfragen zu wollen. Dabei wird festzustellen sein, dass nicht alle geläufigen Antworten nur dadurch richtig sein müssen, weil viele sie kennen und man sich an sie gewöhnt hat. Trotz des genannten Hauptanliegens gehört es naturgemäß dazu, auf die historische Entwicklung der Physik in groben Umrissen einzugehen. Aus jenem Grund schon, weil bei genauem Hinsehen, die Physik als vollständig sich bestimmt erweist von allem, was in den letzten drei bis vier Jahrhunderten - so etwa - als richtig (an)erkannt wurde. Das Schulwissen übersteigende physikalische Kenntnisse sind für die Lektüre dieses Textes nicht erforderlich. Auch wurde auf die Anwendung mathematischer Hilfsmittel praktisch verzichtet, was für die Darstellung physikalischer Zusammenhänge schwer nur realisierbar scheint. Da es aber nicht um das Vermitteln physikalischen Fachwissens geht (dafür gibt es ohnehin genügend Fach- und Sachliteratur), sondern „lediglich“ das Finden qualitativer Zusammenhänge das Ziel ist, kann man damit recht gut leben. Das allerdings setzt in der Tat voraus, dass man das Vorhandensein von Zusammenhängen erst einmal akzeptiert.

Das wesentliche Thema ist die kritische Analyse der Basis des sehr umfangreichen und komplexen und kaum noch überschaubaren Theorien-Gebäudes der Physik. Bei solch Vorhaben sind Unvoreingenommenheit und ein gewisses Maß an Naivität alles andere als hinderlich. Sollte versehentlich hier und dort ein etwas polemischer Ton sich eingeschlichen haben, so darf man dies nicht überbewerten.

Wichtiger ist die Tatsache des Versuches der Rehabilitation des in Verruf geratenen so genannten gesunden Menschenverstandes.

Die ausgesprochene Seltsamkeit der modernen Physik, die Erkenntnis nur noch in Gestalt abstrakter mathematischer Modelle akzeptiert (auch dagegen richtet sich diese Polemik), weil anscheinend anders es nicht geht, muss dem unbefangenen Betrachter wahrlich recht eigenwillig vorkommen. Das gerade macht es aus, das Elitäre dieser Wissenschaft. Betrachtet man hingegen die Physik aus einer etwas größerer Distanz, so verschwinden einige Ungereimtheiten fast von selbst. Und das ohne extreme geistige Klimmzüge - und ohne Mathematik!

Erkauft werden muss dieser - ja, man kann es durchaus so nennen - Fortschritt mit dem Verzicht auf althergebrachte Anschauungen von Raum, Zeit, Wechselwirkung und vielem anderen mehr. Vorstellungen werden entwickelt, welche einerseits so umwerfend neu und so originell vom Ansatz her nicht in jedem Falle sind. „Nur“ die Darstellung der Zusammenhänge und Beziehungen als auch die Konsequenzen sind in der hier gezeigten Form sicherlich ohne Vorbild.

Andererseits gibt es dennoch ein Problem. Ein gewaltiges sogar. Mit Putzarbeiten an der Fassade des Gebäudes der Physik ist es meiner Meinung nach nicht mehr getan. Auch irgendwelche Um- und Anbauten verfehlen mit Sicherheit ihren Zweck. Um dessen Grundfesten geht es. Und diese stehen stabil und unzerstörbar vor uns. Seit Jahrhunderten schon. Keine neue Idee, und sei sie noch so exotisch und bizarr, war in der Lage, dieses Fundament auch nur anzukratzen. Eher umgekehrt: Weil das Fundament der Physik sich dermaßen unerschütterlich zeigte, wurden geradezu abenteuerlich anmutende Hypothesen und Vorstellungen provoziert, die zu einer neuen Form des “Wunderglaubens” führten. Dagegen kommt man - so scheint es - mit rationalen Argumenten nicht an.

In vorliegender Arbeit unter anderem wird der Versuch unternommen, folgende ungeheuerliche Behauptung zu beweisen: So „verrückt“, wie die Welt sich im Licht der modernen Physik uns anscheinend gegenübertritt, ist sie vielleicht doch nicht. Das könnte ein Trost sein. Und dann noch etwas:

Die Welt ist konkret - und die Physik ebenfalls !

Hegel02
Georg Friedrich Wilhelm Hegel
1770 - 1831

Was Denken, was abstrakt ist - daß dies jeder Anwesende wisse, wird in guter Gesellschaft vorausgesetzt, und in solcher befinden wir uns. Die Frage ist allein danach, wer es sei, der abstrakt denke.
(…)
Wer denkt abstrakt? Der ungebildete Mensch, nicht der gebildete. Die gute Gesellschaft denkt darum nicht abstrakt, weil es zu leicht ist, weil es zu niedrig ist, niedrig nicht dem äußeren Stande nach, nicht aus einem leeren Vornehmtun, das sich über das wegzusetzen stellt, was es nicht vermag, sondern wegen der inneren Geringheit der Sache.
Das Vorurteil und die Achtung für das abstrakte Denken ist so groß, daß feine Nasen hier eine Satire oder Ironie zum voraus wittern werden; allein, da sie Leser des Morgenblattes sind, wissen sie, daß auf eine Satire ein Preis gesetzt ist und daß ich also ihn lieber zu verdienen glauben und darum konkurrieren als hier schon ohne weiteres meine Sachen hergeben würde.

[Hegel: Wer denkt abstrakt?, S. 5. Digitale Bibliothek Band 2: Philosophie, S. 39673 (vgl. Hegel-W Bd. 2, S. 576 f)]

Die Physik als Wissenschaft entfernt sich von der Alltagserfahrung um so weiter, je grundlegender ihre Aussagen sind. Das lässt sich vollends nicht vermeiden, erschwert aber den Zugang zu dieser Materie; und aus dem Nichtverstehen wird Langeweile. Mit etwas gutem Willen jedoch lässt sich sogar bei recht abstrakt scheinenden Themenkomplexen eine Beziehung zum Alltäglichen ohne weiteres herstellen. Dies muss auch sein, da man sonst den Boden unter den Füßen völlig verliert. Meiner Meinung nach ist dieser Fall längst eingetreten. Dieses „längst“ meint die „Krise der Physik“ Ausgang des 19. Jahrhunderts. Ein Argument der Physiker, geht es um die Unverständlichkeit der Aussagen der modernen Physik, zielt darauf ab, diese Tatsache einfach als gegeben hinzunehmen, weil unser Verstand prinzipiell nicht in der Lage ist, jene Dinge erfassen zu können. Die mathematischen Modelle ersetzen das Verstehen.

Doch vielleicht ist das ein Irrtum. Vielleicht - und dies ist wichtig - entpuppt „lediglich“ der konkrete Weg der konkreten Erkenntnisgewinnung sich als konkrete Sackgasse.

Vielleicht - gehen wir ein Stück des Weges zurück - erweist ein anderer Weg sich, bisher unentdeckt geblieben, als Aus-Weg.

Vielleicht - wen eigentlich dürfte dies verwundern - gab es bereits Wissenschaftler, die mögliche Alternativen sahen und in eine andere Richtung wiesen. Allein, einen Weg sehen reicht bei weitem nicht. Gehen muss man diesen schon, und sei es bis zum „bitteren Ende“.

Vielleicht - es könnte ja sein - lag Ernst Mach (ein für uns noch große Bedeutung erlangender Physiker) mit bestimmten Aussagen, die bereits genannten Grundfesten der Physik angehend, gar nicht so falsch.

Dem - unter anderem - gehen wir nach.


Was kann die Physik?

 

Schon viele Jahre ist es her. Mein Großvater weihte mich ein in sein Geheimnis. Er erzählte mir, er hatte vor Machtübernahme Hitlers Vorbereitungen getroffen für die Auswanderung nach Amerika. Zu diesen Vorbereitungen gehörte seinen Aussagen nach die Beschaffung von Gold im Wert von 10.000 US-Dollar. Ich hörte aufmerksam und skeptisch zu.
Mit der Auswanderung wurde es nichts. Aus verschiedenen Gründen. Und somit brachte er seinen Goldschatz erfolgreich in Sicherheit, indem er ihn im Keller vergrub. Zum Problem allerdings wurde: Er war zu erfolgreich und fand nach dem Krieg das Gold selbst nicht mehr.
Ich hörte sehr aufmerksam und sehr skeptisch zu.
Ob ich nicht „eine Wünschelrute bauen“ könne, fragte eines Tages er mich. Erhaben über solcherlei Unsinn mit meinen 16 Jahren unternahm ich nicht einmal den Versuch, den alten Herrn - immerhin über 60 war der schon - von seinem Aberglauben zu heilen. Es wäre zwecklos gewesen. Darum führte ich, in Gedanken zunächst, eine Transformation durch: Aus der „Wünschelrute“ wurde ein „Metallsuchgerät mit Induktionsschleife“. Ausrutscher ins Okkulte waren inakzeptabel. Für einen halbwegs naturwissenschaftlich und technisch gebildeten Jugendlichen gleich gar. Die Suche mit dem wenige Tage später fertiggestellten Gerät verlief ergebnislos. Das Gold wurde nie gefunden. Die Angelegenheit geriet nach dem Tod meines Großvaters in Vergessenheit. Vielleicht deshalb, weil die Sache niemand so recht ernst nehmen wollte, was möglicherweise ein Fehler war.
(Diese Geschichte stimmt wirklich.)

Alle Erscheinungen sind, das weiß fast jeder, prinzipiell natürlichen Ursprunges. Übernatürliche Phänomene haben in einer von Wissenschaft und Technik geprägten Welt nichts verloren. Der Richter, welcher entscheidet, was als natürlich zu gelten habe und was nicht heißt: Physik. Die Physik ist die grundlegendste Naturwissenschaft, die mit den fundamentalen Gesetzmäßigkeiten der Materie sich befasst. Nicht alles ist physikalisch erklärbar, aber alles, was diesen elementaren Gesetzmäßigkeiten widerspricht, kann es nicht geben.

Die Physik kann nicht immer zeigen, was möglich ist, jedoch „weiß“ sie ganz genau - so im Verständnis der Physiker -, was nicht sein kann.

Und so beispielsweise verhält es sich mit der Wünschelrute. Kein physikalischer Effekt ist bekannt, mit dessen Hilfe dieses Phänomen interpretierbar wäre.

Ein anderes Beispiel für den Ausschluss von Vorgängen liefert der Satz von der Erhaltung der Energie, erstmals in voller Tragweite wohl erkannt im Jahr 1842 vom Arzt und “Amateurphysiker” Julius Robert Mayer (1814-1878) aus Heilbronn. Nur ein unverbesserlicher Ignorant noch würde versuchen, ein perpetuum mobile zu konstruieren, eine Maschine also, die in der Lage wäre, Arbeit zu verrichten, ohne dass ihr Energie zugeführt werden müsste. Andererseits erlaubt die Quantenphysik Vorgänge, bei denen eine „vorübergehende“ Verletzung des Energiesatzes zulässig ist. Ohne näher darauf einzugehen, seien die Begriffe Tunneleffekt und virtuelle Teilchen sowie Heisenbergsche Unschärferelation genannt.

Diese zwei Beispiele sollen die Negativ-Indikation im Zusammenhang mit bestimmten physikalischen Gesetzen demonstrieren, jedoch immer in Hinblick darauf, diesen Gesetzmäßigkeiten keinen uneingeschränkten Geltungsbereich zubilligen zu dürfen. Und dennoch existieren Unterschiede zwischen beiden Beispielen. Im zweiten Fall gibt es tatsächlich genau formulierte Gesetze, welche Rahmenbedingungen schaffen für das real mögliche . Im Falle des Wünschelruten-Effektes hingegen stellt die Angelegenheit sich schon als etwas schwieriger dar. Denn eigentlich kann man nur formulieren: „Es sind keine physikalischen Vorgänge bekannt, die solcherart Phänomene zulassen“. Ist etwas „nicht bekannt“, heißt dies längst noch nicht, dieses Etwas „gibt es nicht“. Aber genau so verfährt man in der Physik. Da der Physiker - und nicht nur er - glaubt, sich und die Welt gegen unwissenschaftliche Hirngespinste verteidigen zu müssen, versucht er, solche Phänomene als Betrug, Scharlatanerie oder bestenfalls als unbewusste Irrtümer auf unterbewusster Ebene zu entlarven und/oder ignoriert sie. Und hilft dies alles nicht, so springt der Zufall in die Bresche. Genügend Beispiele mag es geben, auf welche die genannten Fakten mit Sicherheit zutreffen. Ein Rest Unsicherheit jedoch verbleibt. Aber nicht bei dem Wissenschaftler (sprich Physiker), sondern bei dem hinlänglich verunsicherten fachunkundigen Publikum. Polemiken und Attacken gegen unwissenschaftlichen Humbug besitzen recht wenig Überzeugungskraft, gerade bei denen, gegen bzw. an die sie gerichtet sind. Dies genau aus nämlichen Grund, weil sachbezogene Argumente für den Laien nicht mehr nachvollziehbar sind - es nicht sein können.

Und einen anderen - gewichtigeren - Grund noch gibt es:

Die Wissenschaft konnte nicht das halten, was sie vollmundig versprach. Dies führte zu einem erheblichen Vertrauensverlust.

Als ein Beispiel (und wirklich nur als Beispiel) sei das Energieproblem genannt, das mit Hilfe der Kernenergie endgültig lösbar schien. Lösbar war es schon, das Problem der Energiegewinnung. Aber die Folgen, aus der technischen Nutzung der Kernspaltung resultierend, warfen mehr Probleme auf, als geklärt werden konnten. Natürlich ist jede technische Realisierung mit Gefahren verbunden. Man nimmt sie als kalkulierbares Restrisiko in kauf, obwohl hier, bezogen auf den Einzelfall, eine Spur von Zynismus sich nicht verbergen lässt. „Kalkulierbares Risiko“ auch heißt „abgrenzbares Risiko“. Und genau dies ist bei der Kernenergie nicht mehr der Fall. Es gibt nicht die lokale Kernkraftwerks-Katastrophe, bei der „schlimmstenfalls“ das Leben von ein paar Tausend Menschen und/oder deren Gesundheit auf dem Spiel stehen. Jeder Störfall besitzt prinzipiell globalen Charakter. Wer glaubt dann noch den Beteuerungen derer, die „alles ganz genau wissen“ und Hunderttausend Beweise dafür erbringen, dass alle Warnung vor Gefahren in Wahrheit nur Panikmache ist, um die „unwissenden Massen“ zu verunsichern.

    Es gab wirklich eine Zeit, zu der die Gefahren aus Unkenntnis und Mangel an Erfahrung unterschätzt wurden. Die Technik ist den Wissenschaftlern entglitten. Und erst 1963 vereinbarten die beiden damaligen Atommächte, keine Atombombenversuche in der Atmosphäre und dem erdnahen Raum mehr durchzuführen, welche vordem vorrangig (aber nicht ausschließlich) militärischen, sondern auch wissenschaftlichen Zwecken dienten.

Anspruch und Realität - hier soll, um nicht allzusehr vom Thema abzugleiten, nur auf die Physik hingewiesen werden - der Wissenschaft stimmen leider nicht (mehr?) überein. Die absolut unbestreitbaren Erfolge von Naturwissenschaft und Technik führten gerade deshalb auch zu deren Überschätzung. Man kann hier durchaus von einem „Zauberlehrlings-Effekt“ sprechen. Nur, welcher „Hexenmeister“ hilft uns aus einer Misere, in die wir uns in maßloser Arroganz und Selbstüberschätzung durchaus bringen könnten? (Oder schon gebracht haben?!)

Hier soll nicht gegen den wissenschaftlich technischen Fortschritt polemisiert werden. Dies erstens ist sowieso sinnlos und liegt zweitens nicht im Interesse der gesellschaftlichen - was immer das ganz genau sein mag - Weiterentwicklung, die kein Mensch ernsthaft stoppen will und kann. Und drittens wäre es mehr als unfair, den technischen Fortschritt für die gesellschaftlichen Probleme verantwortlich zu machen, die es zweifelsohne gab, gibt und immer geben wird. Dieser Fortschritt ist irreversibel. Letztlich ist es kein wissenschaftlich-technisches, sondern ein gesellschaftliches Problem. Aber alles, was mit der genannten Angelegenheit im Zusammenhang steht, sind Aspekte dieser gesellschaftlichen Prozesse. Und - darauf gehen wir mehrmals noch ein - es gibt nicht „die Wissenschaft“ und auch nicht „die Physik“, sondern mit Menschen haben wir es zu tun, die jene Dinge betreiben . Und diese Leute sind Bestandteile „gesellschaftlicher Strukturen“. Ist auch „die Wissenschaft“ nicht für bestimmte Schwierigkeiten verantwortlich, so war sie auf der anderen Seite jedoch nicht in der Lage, gesellschaftliche Probleme zu lösen oder bei deren Lösung behilflich zu sein. Auch dies gehörte einst zu derem Anspruch.

Physik ebenfalls ist das Wissen um Gesetze, die in der Technik die entscheidenden Faktoren sind. Von der ersten Dampfmaschine bis zur heute eingesetzten Gasturbine; von der mechanischen Rechenmaschine eines Blaise Pascal (1623-1662) bis zum Supercomputer. All dies wäre ohne die - als richtig erkannten - (Grund-)Gesetze der Physik undenkbar.
An die Informationsübertragung mittels elektromagnetischer Wellen in Rundfunk und Fernsehen sowie Fernsprech- und Datennetze haben wir uns gleichermaßen gewöhnt, wie auch die Bereitstellung von Elektroenergie in jedem Haushalt, in quasi unbegrenzter Menge, zu den Selbstverständlichkeiten unseres Lebens gehört, über die nachzudenken im allgemeinen wir uns nicht bemüßigt fühlen.
Die friedliche Nutzung der Kernenergie, deren Beherrschung sich als weitaus schwieriger herausstellte (s.o.), als angenommen, und somit so friedlich nicht war und ist, als auch der Schrecken nuklearer Vernichtungswaffen sind gleichfalls Seiten allgegenwärtiger technisch scheinbar perfekt umgesetzter physikalischer Erkenntnisse. Die Aufzählung ließe sich fortsetzen, ohne wirklich neue Einsichten zu vermitteln.

Ein wesentliches Argument für oder wider eine gegebene Art der Energiegewinnung besteht in deren Umweltverträglichkeit. Im weitesten Sinne des Wortes verstanden. Hinzu kommt die Erschöpflichkeit der fossilen Brennstoffe. Als Ausweg schien die Kernenergie sich anzubieten. Die geradezu euphorische Zuwendung zur Kernspaltung mit der in Aussicht gestellten künftigen Realisierung der friedlichen Nutzung der Kernfusion musste einer Ernüchterung weichen. Die erste Spielart barg zu viele Sicherheitsrisiken, war mithin alles andere als umweltfreundlich; und die technische Realisierung der zweiten Variante verschob sich nach und nach in immer fernere Zukunft. Noch in den Fünfziger Jahren des 20. Jahrhunderts wurde die Beherrschung der Fusion in „dreißig bis vierzig Jahren“ in Aussicht gestellt. Heute, diese Zeitspanne ist längst verstrichen, hat rein zahlenmäßig an jener Prognose sich nichts geändert. Dies heißt nicht, in den vergangenen Jahren wäre nichts geleistet worden. Im Gegenteil. Die im zurückliegenden Zeitraum gewonnenen Erkenntnisse zeigen nur, wie sehr die tatsächlichen Probleme seinerzeit unterschätzt wurden. Irgendwie scheinen wir an eine Grenze des technisch sinnvoll Machbaren zu gelangen. Möglich ist vieles. Aber je gewaltiger die Dimensionen wurden, die wir schufen, um so ohnmächtiger waren wir unseren eigenen Schöpfungen in der Endkonsequenz auch ausgeliefert („Zauberlehrlings-Effekt“).

Unser Handeln reichte weiter als unser Wissen, Können und Verstehen.

Nur gut, dass die Überschätzung der eigenen Fähigkeiten endgültig der Vergangenheit angehört. - Tatsächlich?
Worum es geht?
Die Physik genau bietet jene Möglichkeiten an, die wirklich verfolgt werden. Als derzeit praktikable bzw. angestrebte Energiequellen kennen wir nur die sekundäre Sonnenenergie in Gestalt der fossilen Brennstoffe als chemische Energieträger und jene zwei Formen der Nutzung der Nuklearenergie, welche ich gerade erwähnte. Sind mit beiden letztgenannten Varianten bereits alle Möglichkeiten ausgeschöpft?

Die praktizierte Physik liefert ein eindeutiges „ja“. Doch ist letzter Satz nicht korrekt, denn die dazu gehörende Frage wird überhaupt nicht gestellt, und damit erübrigt sich auch deren gerade genannte Beantwortung.

Ein Narr nur kann zweifeln an der prinzipiellen Richtigkeit dessen, was die Physik an Wahrheiten bereitstellt. Zwar: Vieles gibt es noch zu tun, und manche Dinge bleiben ungeklärt, doch - und das ist das Entscheidende - der Weg der Erkenntnis zu immer tieferem Wissen über die Natur ist der richtige und wird, wann auch immer, zu einem zur Zeit nicht einmal genau definierbaren Ziel führen.

Jedoch: „Zum Ziel führen“ bedeutet längst nicht, diesem Ziel in endlicher Zeit sich auch nur zu nähern oder gar es zu erreichen.

Diese Haltung aber ist nicht neu und war in der Vergangenheit schon des öfteren die Quelle für Fehleinschätzungen. Immer war alles klar. Fast alles. Bis auf ein paar Kleinigkeiten. Und gerade jene „Kleinigkeiten“ zwangen, einiges in Frage zu stellen. Diese „Kleinigkeiten“ erwiesen nachträglich immer als mächtiger sich, als das allseits Bekannte und Anerkannte.

Physik zu allem Überfluss ist die Wissenschaft der unantastbaren Autoritäten und damit der zählebigen Irrtümer.

In keiner anderen Wissenschaft vielleicht herrscht eine vergleichbare Autoritätsgläubigkeit. Diese ergibt sich zwangsläufig aus den mitunter schwer oder überhaupt nicht verständlichen Aussagen der modernen Physik. Diese sind, wie bemerkt, für den Laien nicht mehr nachvollziehbar und, mit etwas Ehrlichkeit, für jeden wirklichen und vermeintlichen Fachmann gleichfalls nicht in vollem Umfang.

 

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