Machsches Prinzip - Ernst Mach
Der österreichische Physiker und Philosoph Ernst Mach
befasste sich im vergangenen Jahrhundert neben anderem auch mit der kritischen Analyse der Grundlagen der Mechanik. Eines seiner wichtigsten Werke ist die „Die Mechanik in ihrer Entwicklung“ (erste Auflage 1883), welches eine Untersuchung des damaligen Kenntnisstandes beinhaltete.
Mach
selbst ist dem breiten Publikum heute vielleicht weniger bekannt. Möglicherweise verbindet der eine oder andere mit diesem Namen die sogenannte Machzahl, die in der Flugzeugtechnik Bedeutung erlangte. Erreicht ein Flugzeug die Schallgeschwindigkeit, so hat es „Mach 1“ erreicht. „Mach 2“ bedeutet doppelte Schallgeschwindigkeit.
Mach gilt hauptsächlich als heuristischer Wegbereiter der Allgemeinen Relativitätstheorie; und Einstein selbst bezeichnete sich in diesem Zusammenhang als „Schüler“ Machs. Auch
auf philosophischem Gebiet hatte Mach einiges geleistet und gilt als Mitbegründer oder zumindest als einflussreichster Vertreter des Empiriokritizismus, welcher von Richard Avenarius
(1843-1896) gegen 1890 entwickelt wurde. Erwähnenswert vielleicht ist die Tatsache, dass einer der schärfsten Gegner Machs ein Russe war namens Wladimir Iljitsch Uljanow
(1870-1924), der in seinem philosophischen Hauptwerk „Materialismus und Empiriokritizismus“ unter anderem heftig gegen den „Machismus“ polemisierte. Uljanow dürfte unter dem Pseudonym
Lenin wohl bekannter sein. (Aber dies nur am Rande.)
Ernst Mach: Der Empiriokritizismus
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Ernst Mach: „Die Empfindungen sind ... keine ,Symbole (d. h. Abbilder) der Dinge´. Vielmehr ist das ,Ding´ ein Gedankensymbol
für einen Empfindungskomplex von relativer Stabilität. Nicht die Dinge (Körper), sondern die Farben,Töne, Drücke, Räume, Zeiten
(was wir gewöhnlich Empfindungen nennen) sind eigentliche Elemente der Welt”
Eine solche Aussage ist kaum unwidersprochen hinzunehmen. Doch soll uns das an
dieser Stelle nicht interessieren. Es geht ja vordergründig um andere Dinge.
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Die philosophischen Ansichten Machs und seine sonstigen Leistungen auf dem Gebiet der Physik sind nicht Gegenstand unserer augenblicklichen
Betrachtungen, sondern konkrete Hinweise die Physik - respektive Mechanik - betreffend. Zu diesem Zweck soll Mach - in dem uns jetzt
interessierenden Zusammenhang - zu Wort kommen (E. Mach, Die Mechanik in ihrer Entwicklung, Leipzig 1933, Nachdruck: Darmstadt 1991, S. 227 f.):
Ernst Mach: Das Machsche Prinzip
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Statt nun einen bewegten Körper auf den Raum (auf ein Koordinatensystem)
zu beziehen, wollen wir direkt sein Verhalten zu den Körpern des Weltraumes betrachten, durch welches jenes Koordinatensystem allein bestimmt werden
kann. Voneinander sehr entfernte Körper, welche in bezug auf andere ferne festliegende Körper sich mit konstanter Richtung und Geschwindigkeit
bewegen, ändern ihre gegenseitige Entfernung der Zeit proportional... Die eben
angestellten Betrachtungen zeigen, dass wir nicht nötig haben, das Trägheitsgesetz auf
einen besonderen absoluten Raum zu beziehen. Vielmehr erkennen wir, dass sowohl
jene Massen, welche nach der gewöhnlichen Ausdrucksweise Kräfte aufeinander ausüben, als auch jene, welche keine ausüben, zueinander in gleichartigen
Beschleunigungsbeziehungen stehen, und zwar kann man alle Massen als untereinander
in Beziehung bestehend betrachten... Wenngleich auch ich erwarte, dass astronomische
Beobachtungen zunächst nur sehr unscheinbare Korrektionen notwendig machen
werden, so halte ich es doch für möglich, dass der Trägheitssatz in seiner einfachen
Newtonschen Form für uns Menschen nur örtliche und zeitliche Bedeutung hat.
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In diesen Überlegungen sind einige Probleme verborgen, auf die ich an dieser Stelle noch nicht eingehen werde. Doch wollen wir in einem
Gedankenexperiment das Grundanliegen jener Hinweise veranschaulichen. An anderer Stelle begleiteten wir einige Astronauten auf ihre Reise in den
Kosmos. Dabei stellten wir fest, dass die „Reisegeschwindigkeit“ - als relative Größe - nicht mit den im Raumschiff zur Verfügung stehenden Mitteln
ohne Bezug zur Außenwelt (Relativität der Bewegung) bestimmbar ist. Die Änderung jenes Bewegungszustandes war durch das Auftreten von
Trägheitskräften gekennzeichnet. Dadurch ist dieser Zustand, ohne „aus dem Fenster zu schauen“ beobachtbar. Die „Ursache“ für die
Trägheitskräfte war damit die Beschleunigung des Raumschiffes relativ zum Raum. Dies ist die klassische Darstellung. Denken wir uns ein
„übernatürliches jenseitiges Wesen“, welches alles aus der Welt entfernte. Alle Sterne und Galaxien sowie die Galaxienhaufen usw. würden „aus der Welt
verschwinden“. Was geschähe jetzt? - Angenommen, das Raumschiff bewegte sich noch antriebslos „im Raum“, und als nächstes würde der
Kommandant die Triebwerke zünden, so müsste etwas passieren. - Vielleicht aber auch nicht.
Selbst als Gedanken
-Experiment scheint eine solche Fiktion nicht unproblematisch. dass wir uns aber auch mit dermaßen problembehafteten
Annahmen wirklich auseinandersetzen können, ohne Gefahr zu laufen, ins märchenhafte abzugleiten, werde ich in einem späteren Text behandeln, wenn es um „Simulationen“ geht.
Entspräche die klassische Raumauffassung der Realität, so würden nach wie vor jene Trägheitskräfte auftreten, da mit dem Arbeiten der Triebwerke
der Bewegungszustand des Raumschiffes verändert würde - relativ zum Raum. Wir befänden uns in der paradoxen Situation, zwar keine
Geschwindigkeit feststellen zu können (es gäbe ja keine Bezugskörper mehr), jedoch die Beschleunigung - die Änderung der „nicht mehr
vorhandenen Geschwindigkeit“ - wäre immer noch anhand der Trägheitskräfte nachweisbar. Dieser Widerspruch pflanzt sich durch die gesamte
Physik fort und konnte bis heute nicht wirklich gelöst werden. Nun ist es aber unter anderem ein Ergebnis der Allgemeinen Relativitätstheorie - vgl.
letzten Textabschnitt -, den Raum nur in Verbindung mit den Massen sehen zu dürfen („Ohne Materie kein Raum“). Warum aber sollen wir eine solche Aussage nicht postulieren
?! Der Raum wurde als Koordinatensystem mathematisch modelliert. Frage: wie ließe sich jetzt ein solches
mathematisches Hilfsmittel konkret konstruieren, gäbe es keine Bezugskörper mehr? Die zweite Möglichkeit, unser Gedankenexperiment zu Ende zu
spinnen, bestünde darin, mit dem Verschwinden der (in diesem Fall kosmischen) Materie die Existenz der Bewegung, und damit natürlich auch die
der Bewegungs-Änderung, gänzlich zu negieren. Das Einschalten der Raketentriebwerke wäre in diesem Falle überhaupt nicht - weder kinematisch
(mit Blick aus dem Fenster, es gäbe ja nichts mehr zu sehen) noch dynamisch (Trägheitskräfte) - feststellbar!
Abermals: Wir könnten darüber streiten, ob die von uns zur Veranschaulichung herangezogenen sehr weit hergeholten Fiktionen prinzipiell zulässig
sind, oder ob derartige Gedankenexperimente grundsätzlich über den Rahmen des Erlaubten hinausgehen. Diese Frage werde ich nochmals
aufgreifen und dabei recht interessante Konsequenzen entdecken.
Lösen wir uns also von vornherein vom Raum als selbständige Gegebenheit - die Anerkennung des Raumes als Realität, welche Modifikationen er
auch erfuhr, ist nach wie vor praktizierte Physik - und ersetzen diesen Raum durch die ganz konkreten (kosmischen) materiellen Objekte, so
kommen wir - auf astronomische Verhältnisse angewandt (aber zunächst auch nur dort) - zu eben jenem Machschen Prinzip (vgl. obiges Zitat):
Die (Massen-)Trägheit ist der Ausdruck der dynamischen Wechselwirkung der Körper mit der „kosmischen Umwelt“ (Was immer dies sein mag;
und im folgenden werden wir in diesem Zusammenhang vom „Machschen Bezugssystem“ sprechen. Wir wissen dann qualitativ was gemeint ist, sind
dennoch weiterhin unabhängig von konkreten mathematischen Modellen, die wir ja nicht haben - nicht haben können.), ist also Manifestation der
Wechselbeziehungen der Massen untereinander. Gäbe es keine kosmischen Massen, so auch keine Bewegung und somit - logisch! - keine Bewegungs-Änderung
(Beschleunigung), und damit schließlich keine Trägheit.
Natürlich waren Einstein die Probleme nicht entgangen. Hier sei eine Stellungnahme Einsteins zum Machschen Prinzip wiedergegeben (A. Einstein
, Mein Weltbild [Einiges über die Entstehung der allgemeinen Relativitätstheorie], Frankfurt/M - Berlin 1991, S. 135.):
Vom rein kinematischen Standpunkt aus war ja die Relativität
beliebiger Bewegungen nicht zu bezweifeln... Freilich war mir Machs Auffassung bekannt geworden, nach der es denkbar schien, dass der
Trägheitswiderstand nicht einer Beschleunigung an sich, sondern einer Beschleunigung gegen die Massen der übrigen in der Welt
vorhandenen Körper entgegenwirke. Dieser Gedanke hatte etwas Faszinierendes, aber er bot keine brauchbare Grundlage für eine neue Theorie.
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Nun könnte es durchaus sein, dass Einstein sich in der letzten Aussage - in den Machschen Ideen keine Grundlage für ein neue Theorie zu sehen -
irrte. Natürlich führt kein direkter Weg von der klassischen Mechanik über das Machsche Prinzip zu dieser neuen Theorie. Der (denkbare) Weg
wäre (möglicherweise) weitaus beschwerlicher.
Tatsache ist: Das Machsche Prinzip geriet nicht vollends in Vergessenheit; aber keine derzeit akzeptable und akzeptierteTheorie ist in der Lage,
diesem Grundgedanken völlig zu entsprechen und ihn mit Leben zu erfüllen. Auch müssen wir uns derweil damit begnügen, das Machsche Prinzip als
heuristisch bemerkenswerten Denkansatz zu akzeptieren, um mit seiner Hilfe zu veränderten Fragestellungen zu gelangen, ohne diese Fragen bereits
beantworten zu können. Allerdings hatte Mach selbst seine eigenen Gedanken nicht konstruktiv im Sinne der Erschaffung der Grundlagen einer
neuen Mechanik konkret weiter verfolgt. Er war sowieso überzeugt davon, dass eine Mechanik als Grundlage für die Physik ohnehin nichts taugt.
Aufgrund dieser Einstellung hatte er sich leider selbst den Weg zu weiterführenden Gedanken verbaut. Mach betrachtete seine Überlegungen
ausschließlich als Kritik an der vorherrschenden Lehrmeinung.
Zur Aussage Einsteins noch einige Erläuterungen. „Kinematisch“ heißt, die Bewegung als reine Ortsveränderung aufzufassen, ohne auf die damit im
Zusammenhang stehenden Kräfte eingehen zu müssen. Der kinematische Aspekt beschäftigt sich mit der „Bewegung an sich“, der reinen
mechanischen Ortsveränderung (relativ zu ...). Diese Problematik hatten wir bereits eingehend im Zusammenhang mit den Bahnen verschiedener
Verkehrsmittel (Auto, Eisenbahn, Schiff, Raumschiff) beleuchtet und mussten immer uns auf materielle Bezugskörper berufen. Die Trägheit
(dynamischer Aspekt) jedoch galt stets unabhängig und losgelöst von eben jenen Körpern. Hier zeichnete sich eine Uneinheitlichkeit (Stichwort:
Dualismus) ab, die man glaubte, mit der Allgemeinen Relativitätstheorie gelöst zu haben. (Dieser Dualismus erfüllt in unterschiedlichster Gestalt die gesamte Physik.)
Der folgende Text nimmt sich der Zeit als physikalische Größe an.
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