Machsches Prinzip
- Ernst Mach -

© 1998 - 2022 Wolfgang Neundorf
Stand: 20.08.2022

Homepage
Einleitung
Physik
DPG-Beiträge
Kritik
Masse
Wellen
Pygmalion-Effekt
Erkenntnis
Ernst Mach
Die Zeit
Zufall+Notwend.
Gottes Urknall
Zwischenbilanz
Geschichten
Links
Der Autor

Ernst Mach wird m. E. gern missverstanden. Freilich hat er u.a. auch Missverständliches geäußert. Das ist nicht mein Thema, auch nicht eine umfassende Würdigung seiner Arbeit. (Vielleicht komme ich auf weitere Aspekte noch einmal zurück.)

    Inhalt

  1. Vorbemerkungen
  2. Nur Beziehungen gelten
  3. Raum oder nicht Raum
  4. Ernst Mach

Ernst Mach ist, meiner subjektiven Wertung nach, der bedeutendste Physiker-Philosoph des 19. Jh., wenn nicht gar überhaupt. Kritik an bestimmten seiner Einschätzungen soll nicht darüber hinwegtäuschen, dass wir hier einen der tiefgründigsten Denker der Vergangenheit vorfinden.

 

 

Machsches Prinzip - Ernst Mach

 

Der österreichische Physiker und Philosoph Ernst Mach befasste sich im vergangenen Jahrhundert neben anderem auch mit der kritischen Analyse der Grundlagen der Mechanik. Eines seiner wichtigsten Werke ist die „Die Mechanik in ihrer Entwicklung“ (erste Auflage 1883), welches eine Untersuchung des damaligen Kenntnisstandes beinhaltete. Mach selbst ist dem breiten Publikum heute vielleicht weniger bekannt. Möglicherweise verbindet der eine oder andere mit diesem Namen die sogenannte Machzahl, die in der Flugzeugtechnik Bedeutung erlangte. Erreicht ein Flugzeug die Schallgeschwindigkeit, so hat es „Mach 1“ erreicht. „Mach 2“ bedeutet doppelte Schallgeschwindigkeit. Mach gilt hauptsächlich als heuristischer Wegbereiter der Allgemeinen Relativitätstheorie; und Einstein selbst bezeichnete sich in diesem Zusammenhang als „Schüler“ Machs. Auch auf philosophischem Gebiet hatte Mach einiges geleistet und gilt als Mitbegründer oder zumindest als einflussreichster Vertreter des Empiriokritizismus, welcher von Richard Avenarius (1843-1896) gegen 1890 entwickelt wurde. Erwähnenswert vielleicht ist die Tatsache, dass einer der schärfsten Gegner Machs ein Russe war namens Wladimir Iljitsch Uljanow (1870-1924), der in seinem philosophischen Hauptwerk „Materialismus und Empiriokritizismus“ unter anderem heftig gegen den „Machismus“ polemisierte. Uljanow dürfte unter dem Pseudonym Lenin wohl bekannter sein. (Aber dies nur am Rande.)

Ernst Mach: Der Empiriokritizismus

Ernst Mach Ernst Mach: „Die Empfindungen sind ... keine ,Symbole (d. h. Abbilder) der Dinge´. Vielmehr ist das ,Ding´ ein Gedankensymbol für einen Empfindungskomplex von relativer Stabilität. Nicht die Dinge (Körper), sondern die Farben,Töne, Drücke, Räume, Zeiten (was wir gewöhnlich Empfindungen nennen) sind eigentliche Elemente der Welt”

    Eine solche Aussage ist kaum unwidersprochen hinzunehmen. Doch soll uns das an dieser Stelle nicht interessieren. Es geht ja vordergründig um andere Dinge.

Die philosophischen Ansichten Machs und seine sonstigen Leistungen auf dem Gebiet der Physik sind nicht Gegenstand unserer augenblicklichen Betrachtungen, sondern konkrete Hinweise die Physik - respektive Mechanik - betreffend. Zu diesem Zweck soll Mach - in dem uns jetzt interessierenden Zusammenhang - zu Wort kommen (E. Mach, Die Mechanik in ihrer Entwicklung, Leipzig 1933, Nachdruck: Darmstadt 1991, S. 227 f.):

Ernst Mach: Das Machsche Prinzip

Ernst MachStatt nun einen bewegten Körper auf den Raum (auf ein Koordinatensystem) zu beziehen, wollen wir direkt sein Verhalten zu den Körpern des Weltraumes betrachten, durch welches jenes Koordinatensystem allein bestimmt werden kann. Voneinander sehr entfernte Körper, welche in bezug auf andere ferne festliegende Körper sich mit konstanter Richtung und Geschwindigkeit bewegen, ändern ihre gegenseitige Entfernung der Zeit proportional... Die eben angestellten Betrachtungen zeigen, dass wir nicht nötig haben, das Trägheitsgesetz auf einen besonderen absoluten Raum zu beziehen. Vielmehr erkennen wir, dass sowohl jene Massen, welche nach der gewöhnlichen Ausdrucksweise Kräfte aufeinander ausüben, als auch jene, welche keine ausüben, zueinander in gleichartigen Beschleunigungsbeziehungen stehen, und zwar kann man alle Massen als untereinander in Beziehung bestehend betrachten... Wenngleich auch ich erwarte, dass astronomische Beobachtungen zunächst nur sehr unscheinbare Korrektionen notwendig machen werden, so halte ich es doch für möglich, dass der Trägheitssatz in seiner einfachen Newtonschen Form für uns Menschen nur örtliche und zeitliche Bedeutung hat.

In diesen Überlegungen sind einige Probleme verborgen, auf die ich an dieser Stelle noch nicht eingehen werde. Doch wollen wir in einem Gedankenexperiment das Grundanliegen jener Hinweise veranschaulichen. An anderer Stelle begleiteten wir einige Astronauten auf ihre Reise in den Kosmos. Dabei stellten wir fest, dass die „Reisegeschwindigkeit“ - als relative Größe - nicht mit den im Raumschiff zur Verfügung stehenden Mitteln ohne Bezug zur Außenwelt (Relativität der Bewegung) bestimmbar ist. Die Änderung jenes Bewegungszustandes war durch das Auftreten von Trägheitskräften gekennzeichnet. Dadurch ist dieser Zustand, ohne „aus dem Fenster zu schauen“ beobachtbar. Die „Ursache“ für die Trägheitskräfte war damit die Beschleunigung des Raumschiffes relativ zum Raum. Dies ist die klassische Darstellung. Denken wir uns ein „übernatürliches jenseitiges Wesen“, welches alles aus der Welt entfernte. Alle Sterne und Galaxien sowie die Galaxienhaufen usw. würden „aus der Welt
verschwinden“. Was geschähe jetzt? - Angenommen, das Raumschiff bewegte sich noch antriebslos „im Raum“, und als nächstes würde der Kommandant die Triebwerke zünden, so müsste etwas passieren. - Vielleicht aber auch nicht.

    Selbst als Gedanken -Experiment scheint eine solche Fiktion nicht unproblematisch. dass wir uns aber auch mit dermaßen problembehafteten Annahmen wirklich auseinandersetzen können, ohne Gefahr zu laufen, ins märchenhafte abzugleiten, werde ich in einem späteren Text behandeln, wenn es um „Simulationen“ geht.

Entspräche die klassische Raumauffassung der Realität, so würden nach wie vor jene Trägheitskräfte auftreten, da mit dem Arbeiten der Triebwerke der Bewegungszustand des Raumschiffes verändert würde - relativ zum Raum. Wir befänden uns in der paradoxen Situation, zwar keine Geschwindigkeit feststellen zu können (es gäbe ja keine Bezugskörper mehr), jedoch die Beschleunigung - die Änderung der „nicht mehr vorhandenen Geschwindigkeit“ - wäre immer noch anhand der Trägheitskräfte nachweisbar. Dieser Widerspruch pflanzt sich durch die gesamte Physik fort und konnte bis heute nicht wirklich gelöst werden. Nun ist es aber unter anderem ein Ergebnis der Allgemeinen Relativitätstheorie - vgl. letzten Textabschnitt -, den Raum nur in Verbindung mit den Massen sehen zu dürfen („Ohne Materie kein Raum“). Warum aber sollen wir eine solche Aussage nicht postulieren ?! Der Raum wurde als Koordinatensystem mathematisch modelliert. Frage: wie ließe sich jetzt ein solches mathematisches Hilfsmittel konkret konstruieren, gäbe es keine Bezugskörper mehr? Die zweite Möglichkeit, unser Gedankenexperiment zu Ende zu spinnen, bestünde darin, mit dem Verschwinden der (in diesem Fall kosmischen) Materie die Existenz der Bewegung, und damit natürlich auch die der Bewegungs-Änderung, gänzlich zu negieren. Das Einschalten der Raketentriebwerke wäre in diesem Falle überhaupt nicht - weder kinematisch (mit Blick aus dem Fenster, es gäbe ja nichts mehr zu sehen) noch dynamisch (Trägheitskräfte) - feststellbar!

    Abermals: Wir könnten darüber streiten, ob die von uns zur Veranschaulichung herangezogenen sehr weit hergeholten Fiktionen prinzipiell zulässig sind, oder ob derartige Gedankenexperimente grundsätzlich über den Rahmen des Erlaubten hinausgehen. Diese Frage werde ich nochmals aufgreifen und dabei recht interessante Konsequenzen entdecken.

Lösen wir uns also von vornherein vom Raum als selbständige Gegebenheit - die Anerkennung des Raumes als Realität, welche Modifikationen er auch erfuhr, ist nach wie vor praktizierte Physik - und ersetzen diesen Raum durch die ganz konkreten (kosmischen) materiellen Objekte, so kommen wir - auf astronomische Verhältnisse angewandt (aber zunächst auch nur dort) - zu eben jenem Machschen Prinzip (vgl. obiges Zitat):

Die (Massen-)Trägheit ist der Ausdruck der dynamischen Wechselwirkung der Körper mit der „kosmischen Umwelt“ (Was immer dies sein mag; und im folgenden werden wir in diesem Zusammenhang vom „Machschen Bezugssystem“ sprechen. Wir wissen dann qualitativ was gemeint ist, sind dennoch weiterhin unabhängig von konkreten mathematischen Modellen, die wir ja nicht haben - nicht haben können.), ist also Manifestation der Wechselbeziehungen der Massen untereinander. Gäbe es keine kosmischen Massen, so auch keine Bewegung und somit - logisch! - keine Bewegungs-Änderung (Beschleunigung), und damit schließlich keine Trägheit.

Natürlich waren Einstein die Probleme nicht entgangen. Hier sei eine Stellungnahme Einsteins zum Machschen Prinzip wiedergegeben (A. Einstein , Mein Weltbild [Einiges über die Entstehung der allgemeinen Relativitätstheorie], Frankfurt/M - Berlin 1991, S. 135.):

Albert Einstein

Albert EinsteinVom rein kinematischen Standpunkt aus war ja die Relativität beliebiger Bewegungen nicht zu bezweifeln... Freilich war mir Machs Auffassung bekannt geworden, nach der es denkbar schien, dass der Trägheitswiderstand nicht einer Beschleunigung an sich, sondern einer Beschleunigung gegen die Massen der übrigen in der Welt vorhandenen Körper entgegenwirke. Dieser Gedanke hatte etwas Faszinierendes, aber er bot keine brauchbare Grundlage für eine neue Theorie.

Nun könnte es durchaus sein, dass Einstein sich in der letzten Aussage - in den Machschen Ideen keine Grundlage für ein neue Theorie zu sehen - irrte. Natürlich führt kein direkter Weg von der klassischen Mechanik über das Machsche Prinzip zu dieser neuen Theorie. Der (denkbare) Weg wäre (möglicherweise) weitaus beschwerlicher.

Tatsache ist: Das Machsche Prinzip geriet nicht vollends in Vergessenheit; aber keine derzeit akzeptable und akzeptierteTheorie ist in der Lage, diesem Grundgedanken völlig zu entsprechen und ihn mit Leben zu erfüllen. Auch müssen wir uns derweil damit begnügen, das Machsche Prinzip als heuristisch bemerkenswerten Denkansatz zu akzeptieren, um mit seiner Hilfe zu veränderten Fragestellungen zu gelangen, ohne diese Fragen bereits beantworten zu können. Allerdings hatte Mach selbst seine eigenen Gedanken nicht konstruktiv im Sinne der Erschaffung der Grundlagen einer neuen Mechanik konkret weiter verfolgt. Er war sowieso überzeugt davon, dass eine Mechanik als Grundlage für die Physik ohnehin nichts taugt. Aufgrund dieser Einstellung hatte er sich leider selbst den Weg zu weiterführenden Gedanken verbaut. Mach betrachtete seine Überlegungen ausschließlich als Kritik an der vorherrschenden Lehrmeinung.

Zur Aussage Einsteins noch einige Erläuterungen. „Kinematisch“ heißt, die Bewegung als reine Ortsveränderung aufzufassen, ohne auf die damit im Zusammenhang stehenden Kräfte eingehen zu müssen. Der kinematische Aspekt beschäftigt sich mit der „Bewegung an sich“, der reinen mechanischen Ortsveränderung (relativ zu ...). Diese Problematik hatten wir bereits eingehend im Zusammenhang mit den Bahnen verschiedener Verkehrsmittel (Auto, Eisenbahn, Schiff, Raumschiff) beleuchtet und mussten immer uns auf materielle Bezugskörper berufen. Die Trägheit (dynamischer Aspekt) jedoch galt stets unabhängig und losgelöst von eben jenen Körpern. Hier zeichnete sich eine Uneinheitlichkeit (Stichwort: Dualismus) ab, die man glaubte, mit der Allgemeinen Relativitätstheorie gelöst zu haben. (Dieser Dualismus erfüllt in unterschiedlichster Gestalt die gesamte Physik.)

Der folgende Text nimmt sich der Zeit als physikalische Größe an.

Ernst Mach Vorbemerk. Beziehungen Raum Ernst Mach

[Home] [Seitenanfang]