Machsches Prinzip - Raum oder nicht Raum
..., das ist hier die Frage. Schon Generationen von Physikern und Philosophen war dieses Problem des Nachdenkens wert. Die Planetenbahnen (s.o.) sind „Bahnen im Raum“. Dieser Raum wurde greifbar mit
Hilfe bestimmter mathematischer Modelle (Koordinatensysteme). Wichtig dabei ist, das bereits genannte Trägheitsprinzip nahm Bezug auf diesen Raum. Wenngleich an dieser Stelle möglichst keine Mathematik
betrieben werden soll, so lässt sich dies nicht gänzlich vermeiden. Was eine Zahl ist, darüber brauchen wir uns nicht zu verständigen. Die Geschwindigkeit lässt sich als eine solche Zahl ausdrücken.
Gemeint ist jener Wert, der von einem Pkw-Tacho direkt abzulesen ist. Eine physikalische Größe besteht außer aus einem Zahlenwert noch aus einer Maßeinheit. Der Tacho beispielsweise zeigt an: 100 km/h.
Dies aber stellt nur einen speziellen Sonderfall dar. Denn die Geschwindigkeit auch ist eine gerichtete Größe. Es genügt nicht, mit Tempo 200 die Autobahn entlang zu rasen (so man kann und darf), um in
einer bestimmten Zeit an ein bestimmtes Ziel zu gelangen. In die richtige Richtung muss es schon gehen. Solche gerichtete Größen heißen Vektoren. In der Physik sind der Ort, die Geschwindigkeit, die
Beschleunigung und die Kraft solche vektorielle Größen. Von der Geschwindigkeit wissen wir, dass diese nicht „absolut“ ist, sondern nur in Beziehung auf einen Gegenstand - im allgemeinsten
Fall sind damit mindestens drei „starre Punkte“ gemeint - eine sinnvolle Angabe bietet. Die Änderung der Geschwindigkeit - die Beschleunigung - hingegen erweist sich als absolut. Die „absolute
Beschleunigung“ ist an den „absoluten Raum“ geknüpft. Die konkreten Objekte zur Festlegung des konkreten Koordinatensystems als Repräsentanten des konkreten Raumes spielen eigentümlicherweise
jetzt keine Rolle mehr. (Bei unbefangener Betrachtung mutet diese Uneinheitlichkeit schon recht merkwürdig an.)
Konkret auf unser Raumschiff bezogen heißt dies, dass jede Änderung
der Geschwindigkeit - des Betrages und/oder der Richtung - eine derartige Beschleunigung ist. Ein solcher Effekt ist mit dem Betreiben der Triebwerke zu erzielen. Jedes Manöver mit Hilfe der Triebwerke - das „Aufwenden einer Kraft“ - wird durch das Auftreten von Trägheitskräften im Raumschiff quittiert. Zeichnet sich der vorherige „kräftefreie Zustand“ als Bewegungszustand durch die Eigenschaft aus, überhaupt nicht ohne Beziehung zur Außenwelt nachweisbar zu sein, so bemerken die Insassen des Raumschiffes jede
Änderung
des Bewegungszustandes ohne sich auf äußere Objekte beziehen zu müssen. Dieser Umstand ist - so scheint es deutbar - auf die Absolutheit des Raumes zurückzuführen. Oder umgekehrt: der absolute Charakter der Beschleunigung legt die Absolutheit des Raumes nahe. Dies auch war der Stand der Dinge zu
Newtons Zeiten und reflektierte gleichermaßen den Erkenntnisstand bis Ausgang des 19. Jahrhunderts. Zur Raumproblematik sei an dieser Stelle Einstein zitiert (A. Einstein, Über die
spezielle und die allgemeine Relativitätstheorie, Berlin 1970, S 107 f.):
Für die Newtonsche Physik ist es charakteristisch, dass sie dem Raume
und der Zeit neben der Materie unabhängige reale Existenz zuschreiben muss. Denn im Newtonschen Bewegungsgesetz tritt der Begriff der
Beschleunigung auf. Beschleunigung kann aber in dieser Theorie nur bedeuten „Beschleunigung gegenüber dem Raume“. Der Newtonsche
Raum muss also als „ruhend“, oder mindestens als „unbeschleunigt“ gedacht werden,
dass man diese Beschleunigung, die im Bewegungsgesetz auftritt, als eine sinnvolle
Größe betrachten kann... Es ist schon eine harte Zumutung, dass man dem Raum
überhaupt physikalische Realität zuschreiben soll, insbesondere dem leeren Raume. Die
Philosophen haben seit den ältesten Zeiten immer wieder gegen eine solche Zumutung sich gesträubt. Descartes argumentierte etwa so: Raum ist wesensgleich mit
Ausdehnung. Ausdehnung aber ist an Körper gebunden. Also kein Raum ohne Körper, d
. h. kein leerer Raum. Die Schwäche dieser Schlussweise liegt in erster Linie darin: Es
ist zwar richtig, dass der Begriff der Ausdehnung seine Entstehung Erfahrungen verdankt, die wir an der Lagerung (Berührung) von festen Körpern gemacht haben.
Daraus kann man aber nicht folgern, dass der Begriff der Ausdehnung nicht berechtigt
sei in Fällen, die nicht zur Bildung dieses Begriffes Anlass gegeben hätten. Solche
Erweiterung von Begriffen kann auch indirekt durch ihren Wert für das Begreifen von
empirischen Befunden gerechtfertigt werden. Die Behauptung, Ausdehnung sei an
Körper gebunden, ist daher zwar an sich unbegründet. Wir werden aber später sehen,
dass die allgemeine Relativitätstheorie Descartes’ Auffassung auf einem Umweg
bestätigt. Was Descartes zu seiner merkwürdig anmutenden Auffassung gebracht hat,
war wohl das Gefühl, dass man einem nicht „direkt erfahrbaren“ Dinge wie dem Raume ohne dringende Notwendigkeit keine Realität zuschreiben dürfe. Der
psychologische Ursprung des Raumbegriffes, bzw. dessen Notwendigkeit, ist gar nicht
so offenbar, wie es auf Grund unserer Denkgewohnheiten erscheinen mag. Die alten Geometer handeln von gedanklichen Objekten (Gerade, Punkt, Fläche) aber nicht
eigentlich vom Raum als solchem, wie es die analytische Geometrie später getan hat.
Der Begriff Raum wird aber nahegelegt durch gewisse primitive Erfahrungen. Man habe eine Schachtel hergestellt. Man kann Objekte in gewisser Anordnung darin
unterbringen, so dass die Schachtel voll wird. Die Möglichkeit einer solchen Anordnung
ist eine Eigenschaft des körperlichen Objektes Schachtel, etwas, was mit der Schachtel
gegeben ist, der von der Schachtel „umschlossene Raum“. Dies ist etwas, was für
verschiedene Schachteln verschieden ist, etwas, was ganz natürlich als unabhängig
davon gedacht wird, ob jeweilen überhaupt Objekte in der Schachtel sind oder nicht.
Wenn keine Objekte in der Schachtel liegen, so erscheint ihr Raum „leer“. Bisher ist
unser Raumbegriff an die Schachtel gebunden. Es erweist sich aber, dass die den
Schachtelraum konstituierenden Lagerungsmöglichkeiten davon unabhängig sind, wie
dick die Schachtelwände sind. Kann man also die Dicke nicht auf Null herabsinken lassen, ohne dass dabei der „Raum“ verlorengeht?
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Der Raum und die verschwindenden „Schachtelwände“ - dies als ein Argument für die zunächst unabhängige und objektive Realität des Raumes.
Diese Argumentation hat lediglich einen „ganz kleinen Schönheitsfehler“. Diese „Schachtelwände“ finden wir wieder im kosmischen Umfeld. Wollte
man - als Fiktion - die Dicke dieser Wände Null werden lassen, so hieße dies, konkret auf unsere Umwelt bezogen, alle Massen des Weltraumes
müssten verschwinden (und wir selbst mit ihnen). Nun zeigt aber die allgemeine Relativitätstheorie, dass mit dem „Verschwinden der Massen“ auch jener Raum nicht mehr vorhanden wäre:
Die Behauptung, Ausdehnung sei an Körper gebunden, ist daher zwar
an sich unbegründet. Wir werden aber später sehen, dass die allgemeine Relativitätstheorie Descartes’ Auffassung auf einem Umweg bestätigt.
Was Descartes zu seiner merkwürdig anmutenden Auffassung gebracht hat, war wohl das Gefühl, dass man einem nicht „direkt erfahrbaren“
Dinge wie dem Raume ohne dringende Notwendigkeit keine Realität zuschreiben dürfe.
Einstein, Auszug aus dem gerade angeführten Zitat. - Und an anderer Stelle lesen wir (A.a.O., S. 125)
Man habe z.B. ein reines Gravitationsfeld ... beschrieben durch Lösung der
Gravitationsgleichungen. Wenn man das Gravitationsfeld,... weggenommen denkt, so
bleibt nicht etwa ein Raum ..., sondern überhaupt nichts übrig, auch kein „topologischer Raum“.
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Also doch kein Raum ohne Materie. Die Allgemeine Relativitätstheorie bringt diese Aussage als deren Resultat oder nähert sich ihr dahingehend,
dass die Eigenschaften des Raumes von den Massen abhängen. Wiederholen wir:
- Der Raum ist mathematisch als Koordinatensystem darstellbar (es gibt viele Möglichkeiten der Festlegung von
Koordinatensystemen).
- Um ein Koordinatensystem aber festlegen zu können, bedarf es materieller Bezugspunkte („Massen“). Darum auch wird
vom Raum (vgl. obiges Zitat) als von einem nicht „direkt erfahrbaren Ding“ gesprochen. Der Raum (sprich, Koordinatensystem) kann nur
indirekt bestimmt werden - über jene materiellen Bezugskörper nämlich, welche wir im vorigen Kapitel besprachen.
- Die Allgemeine Relativitätstheorie nähert sich im Ergebnis der Aussage: „ohne Massen kein Raum“. Der Raum - die
Geometrie dieses Raumes - wird unter den gegebenen Umständen (dazu später) eindeutig durch die Massen bestimmt. Die Gravitation ist Ausdruck
der „Krümmung des Raumes“, welche durch die Massen festgelegt ist.
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Jetzt soll dazu eine - vom Grundgedanken her - alternative Auffassung formuliert werden, die aber - betrachtet man die bisherigen Überlegungen im
Zusammenhang -, eigentlich recht naheliegend scheint. In diesem Zusammenhang wurde schon mehrfach der Name Ernst Mach genannt. Auf weitere Seiten Mach
schen Gedankengutes möchte ich nachfolgend eingehen.
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